Wenn das Sehvermögen nach der Katarakt-OP wieder nachlässt
Die Operation des grauen Stars gehört heute zu den häufigsten Eingriffen der modernen Medizin. Weltweit werden jedes Jahr Millionen natürlicher Linsen entfernt und durch Intraokularlinsen (IOL) ersetzt. Meist verbessert sich das Sehvermögen deutlich – und dauerhaft.
Doch in manchen Fällen trübt sich die Sicht nach Monaten oder Jahren erneut ein. Der Grund kann eine fibrotische Veränderung der Linsenkapsel sein – eine Art Vernarbung, die Mediziner auch Kapsel-Fibrose nennen.
Was bei der Operation im Auge geschieht
Bei einer Katarakt-Operation wird die körpereigene Linse entfernt, während die feine Linsenkapsel (eine hauchdünne Hülle) bestehen bleibt. In diese Kapsel wird anschließend die Kunstlinse eingesetzt.
Einige Linsenepthelzellen (Zellreste der ursprünglichen Linse) verbleiben dabei oft an der Innenseite der Kapsel. Diese Zellen können im Verlauf Monate später aktiv werden, sich teilen und in bindegewebsähnliche Zellen umwandeln. Das führt zu Narbenbildung, Schrumpfung oder Trübung – also zu einer Fibrose.
Zwei Hauptformen: Trübung oder Schrumpfung
Hinterkapseltrübung (Posterior Capsular Opacification, PCO)
Hier trübt sich die hintere Wand der Kapsel ein. Das Bild ist vergleichbar mit einem beschlagenen Fenster: Das Sehen wird milchig, Lichter blenden stärker, Farben verlieren an Klarheit. Diese sogenannte „Nachstar“-Bildung betrifft langfristig etwa ein Viertel bis ein Drittel aller operierten Augen.
Vorderkapselkontraktion (Anterior Capsular Contraction Syndrome, ACCS)
Hier zieht sich die Vorderkapselöffnung, durch die der Chirurg die Linse eingesetzt hat, später wieder zusammen. Das kann dazu führen, dass sich die Linse leicht verlagert oder die Öffnung stark verengt. In ausgeprägten Fällen kann die Linse sogar ihre Position verlieren (Luxation).
Warum sich eine Fibrose bildet
Die genauen Ursachen sind komplex, doch im Wesentlichen spielen drei Mechanismen eine Rolle:
- Zellwachstum und Umbauprozesse: Übrig gebliebene Linsenzellen (LECs) wandeln sich in aktive Bindegewebszellen um.
- Heilungsreaktionen: Wachstumsfaktoren wie TGF-β (Transforming Growth Factor) stimulieren die Fibrose.
- Mechanische Einflüsse: Bestimmte Linsenformen oder zu kleine Kapselöffnungen erzeugen Spannungen, die den Schrumpfungsprozess fördern.
Wer besonders gefährdet ist
Einige Patientengruppen zeigen häufiger fibrotische Veränderungen:
- Menschen mit Pseudoexfoliationssyndrom (PXF), Uveitis (chronische Augenentzündung), Diabetes mellitus oder Retinitis pigmentosa
- Augen mit Zonulenschwäche (lockeren Aufhängefasern) oder hoher Kurzsichtigkeit
- Fälle mit sehr kleiner Kapselöffnung oder unvollständiger Zellentfernung bei der Operation
- Bestimmte Linsenmaterialien und -formen, etwa runde Kanten oder hydrophile Kunststoffe, neigen stärker zu Zellwachstum als hydrophob-akryle Modelle
Wie man die Fibrose erkennt
Typisch sind erneute Sehverschlechterung, Blendempfindlichkeit oder das Gefühl, „durch Milchglas zu schauen“.
Der Augenarzt erkennt die Veränderung bei der Spaltlampenuntersuchung:
- Bei PCO erscheint die hintere Kapsel trüb oder milchig.
- Bei ACCS ist die Kapselöffnung deutlich enger oder asymmetrisch.
Behandlung: Präzision mit Laserlicht
Die Behandlung ist heute in den meisten Fällen unkompliziert:
Bei der häufigeren Hinterkapseltrübung wird mit einem sogenannten Nd:YAG-Laser ein winziges Loch in die getrübte Kapsel geschnitten. Dadurch gelangt das Licht wieder ungehindert auf die Netzhaut, und die Sehschärfe bessert sich meist sofort.
Der Eingriff dauert nur wenige Minuten, ist schmerzfrei und wird ambulant durchgeführt.
Mögliche, aber seltene Komplikationen sind ein kurzfristiger Anstieg des Augeninnendrucks, ein Makulaödem oder – in Einzelfällen – eine Netzhautablösung.
Bei Vorderkapselkontraktionen hilft ebenfalls ein Laser, der die verengte Kapselöffnung vorsichtig aufschlitzt. In fortgeschrittenen Fällen ist eine kleine chirurgische Erweiterung oder der Austausch der Linse notwendig.
Prävention: Was Chirurgen heute anders machen
Moderne Operationsmethoden und Linsendesigns haben die Häufigkeit fibrotischer Veränderungen stark reduziert.
Wichtige Maßnahmen sind:
- Gründliche Reinigung der Kapsel von Restzellen während der OP
- Eine angemessen große Öffnung der Vorderkapsel (etwa 5 bis 5,5 mm Durchmesser)
- Verwendung von hydrophob-akrylen Linsen mit scharfkantigem Rand (square edge), die Zellwanderungen effektiv hemmen
- Bei Risikopatienten kann ein Kapselspannring eingesetzt werden, um Zugkräfte gleichmäßig zu verteilen
Ausblick: Gute Prognose bei früher Erkennung
Fibrosen der Linsenkapsel sind unangenehm, aber in aller Regel gut behandelbar. Entscheidend ist, dass Patient:innen neue Sehverschlechterungen oder Blendungen nicht einfach als „Alterserscheinung“ abtun, sondern frühzeitig zur Kontrolle gehen.
Bei rechtzeitiger Behandlung bleibt die Sehleistung meist vollständig erhalten. Nur selten führt eine fortgeschrittene Fibrose zu bleibenden Schäden oder einer komplizierten Re-Operation.
Fazit
Die Fibrose nach Intraokularlinsenimplantation ist eine häufige, aber meist harmlose Spätreaktion der Kapsel auf Heilung und Zellumbau. Sie erinnert daran, dass auch bei modernen, präzisen Eingriffen biologische Prozesse nicht völlig steuerbar sind.
Dank Lasertherapie und optimierten Linsendesigns hat sich die Situation in den letzten 20 Jahren aber deutlich verbessert: Was früher ein wiederkehrendes Problem war, lässt sich heute gezielt erkennen, behandeln und vorbeugen.
Quellenverzeichnis (wissenschaftliche Basis)
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