Augenheilkunde befindet sich 2025 im Umbruch: In Deutschland, den USA und China werden parallel neue Wege in Diagnostik, Therapie und Patientenversorgung beschritten. Während in westlichen Ländern vor allem auf hochspezialisierte KI-Systeme und molekulare Therapien gesetzt wird, beeindruckt China mit radikalen technischen Innovationen und einem ambitionierten Versorgungsanspruch. Der folgende Beitrag gibt einen aktuellen und umfassenden Überblick über die bedeutendsten Entwicklungen.
Deutschland: Interdisziplinäre Tiefe und klinische Integration
KI-Systeme zur Krankheitsfrüherkennung
Deutsche Forscher setzen zunehmend auf KI-gestützte Bildverarbeitung zur Diagnose von AMD und Glaukom. Neue Verfahren analysieren OCT-Scans und Fundusaufnahmen automatisiert und identifizieren krankhafte Veränderungen mit hoher Sensitivität. Dabei kommen lokal trainierte Modelle zum Einsatz, die mit realen Patientendaten weiterentwickelt werden.
Freiburger AMD-Projekt
An der Universität Freiburg untersucht eine Emmy Noether-Forschungsgruppe unter Dr. Julian Wolf Kammerwasserproben mit molekularbiologischen Methoden. Maschinelles Lernen hilft, daraus individuelle Risikoprofile abzuleiten. Ziel ist es, AMD-Früherkennung zu verbessern und Therapieansätze zu personalisieren.
Tübinger Therapien für erblich bedingte Netzhauterkrankungen
Das Universitätsklinikum Tübingen forscht an Genersatzverfahren für Retinitis Pigmentosa sowie an zwei mutationsunabhängigen Behandlungsstrategien. Beide Methoden zielen auf die Stimulation der Netzhautzellen durch kleine Moleküle bzw. elektrophysiologische Impulse.
Dresdner Innovationsstrategie
Prof. Ramin Khoramnia verfolgt am Universitätsklinikum Dresden eine interdisziplinäre Agenda. Er kombiniert ophthalmologische Diagnostik mit Werkstoffkunde und Medizintechnik zur Entwicklung neuer Operationsverfahren und Glaukom-Messmethoden.
USA: Therapiedynamik und Hightech in klinischer Umsetzung
Medikamentöse Langzeittherapien
Mit Susvimo steht nun eine implantierbare Medikamentenpumpe für Ranibizumab bereit, die Injektionsintervalle bei diabetischer Retinopathie deutlich verringert. Das Medikament Zervimesine wiederum zeigt in einer Phase-2-Studie eine Reduktion der AMD-Läsionsprogression um fast 30 %.
KI-Systeme und 3D-Bildgebung
Das Fundus2Globe-System erzeugt aus einfachen Netzhautfotos 3D-Modelle zur besseren Myopiekontrolle. Parallel dazu entwickeln US-Startups KI-Lösungen zur Erkennung systemischer Erkrankungen wie Alzheimer oder Hypertonie anhand von Netzhautscans.
Netzhautregeneration und Volltransplantation
Die National Institutes of Health forschen an einem zweistufigen Netzhautimplantationsverfahren, das photorezeptive und stützende Zelllinien kombiniert. In Colorado wird zudem an einem Prototyp zur vollständigen Augentransplantation geforscht – finanziert mit 46 Mio. US-Dollar von ARPA-H.
Intraokularlinsen der neuen Generation
OmniVu, eine neuartige, anpassungsfähige Linse, wird derzeit in Studien getestet. Sie passt sich postoperativ dynamisch an unterschiedliche Sehentfernungen an und könnte klassische Multifokallinsen ablösen.
China: Technologische Radikalität trifft staatliche Versorgungsstrategie
Infrarot-Kontaktlinsen
Ein Team in Hefei hat Kontaktlinsen entwickelt, die Infrarotlicht sichtbar machen – sogar bei geschlossenen Augen. Nanotechnologie wandelt unsichtbare Strahlung in sichtbares Licht um. Die Technik könnte bei Farbenblindheit, Nachtblindheit oder Sicherheitsberufen bahnbrechend sein.
Rotes Licht gegen Myopie
Die Rotlichttherapie (RLRL) wird landesweit in Schulen zur Myopiekontrolle eingesetzt. Sie verlangsamt das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit. Aufgrund regulatorischer Bedenken wurden neue Sicherheitsstandards durch die chinesische Arzneimittelbehörde eingeführt.
Ophtha-LLaMA2: Sprachmodell für Augendiagnostik
Ein speziell trainiertes LLM unterstützt Ärzte bei Diagnostik, Anamneseerhebung und Therapieentscheidung. Es basiert auf klinischen Augenheilkunde-Datensätzen und lässt sich mit Krankenhausinformationssystemen koppeln.
Lifeline Express: Mobile Augenkliniken
„Augenzüge“ versorgen ländliche Regionen mit kostenlosen Kataraktoperationen. Seit 1997 wurden über 100.000 Patienten behandelt. Das Projekt kombiniert augenmedizinische Versorgung mit der Weiterbildung lokaler Augenärzte.
Konsens zur Netzhautdiagnostik
Ein nationales Konsenspapier zur X-chromosomalen Retinoschisis wurde 2025 veröffentlicht. Ziel ist die Standardisierung der Diagnostik und die Vorbereitung künftiger Gentherapieprogramme.
Fazit: Augenmedizin im globalen Innovationswettlauf
Deutschland zeigt wissenschaftliche Tiefe, die USA klinische Umsetzungskraft, China eine beeindruckende Kombination aus Innovationswille und Bevölkerungsversorgung. Gemeinsam bilden diese drei Länder die Speerspitze eines medizinischen Feldes, das sich zunehmend in Richtung präziser, personalisierter und gerechter Versorgung bewegt.
Quellen:
- https://uni-freiburg.de/das-erblinden-verstehen-neue-forschung-zu-makuladegeneration/
- https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/das-klinikum/pressemeldungen/meldung/701
- https://www.uniklinikum-dresden.de/de/presse/aktuelle-medien-informationen/neue-forschungsansaetze-in-der-augenheilkunde
- https://biermann-medizin.de/doc-2025-ki-in-der-augenheilkunde-praeziser-sehen-frueher-handeln/
- https://nanostherapeutics.com/de/2025/03/24/nanoscope-announces-publication-of-clinical-data-on-vision-restoration-in-retinitis-pigmentosa/
- https://ophthalmologymanagement.com/news/2025
- https://www.axios.com/local/denver/2024/12/03/cu-anschutz-blindness-cure-colorado
- https://arxiv.org/abs/2502.13182
- https://www.eyefox.com/news/2320/ophthalmologist-power-list-2025-die-einflussreichsten-persoenlichkeiten-der-internationalen-augenheilkunde.html
- https://www.thetimes.co.uk/article/contact-lenses-see-in-dark-mrvp8nxv0
- https://reviewofmm.com/a-wake-up-call-regulatory-changes-for-red-light-therapy-china
- https://arxiv.org/abs/2312.04906
- https://en.wikipedia.org/wiki/Lifeline_Express_China
- https://cjeo-journal.org/expert-consensus-on-the-diagnosis-and-treatment-of-x-linked-retinoschisis-in-china-2025