Versorgung in Deutschland – Zwischen Bedarfsplanung und Versorgungsrealität

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Die augenärztliche Versorgung in Deutschland steht vor vielschichtigen Herausforderungen. Trotz eines statistischen Anstiegs der Facharztzahlen berichten Patienten weiterhin von langen Wartezeiten, Aufnahmestopps und eingeschränkter Zugänglichkeit – besonders in ländlichen Gebieten. Die Ursachen dafür liegen nicht nur in der demografischen Entwicklung, sondern auch in Systementscheidungen, die Engpässe mitverursachen oder gar verstärken.

 

Zahl der Augenärzte: Mehr auf dem Papier

Die Zahl der ambulant tätigen Augenärzte ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen – von rund 5.800 im Jahr 2012 auf über 6.500 im Jahr 2021. Dennoch bleibt die Versorgungslage angespannt, denn diese Steigerung wird durch mehrere Faktoren relativiert: Viele der neu hinzukommenden Ärztinnen und Ärzte arbeiten in Teilzeit, spezialisieren sich auf Eingriffe oder ziehen Großstädte dem ländlichen Raum vor. Der „gefühlte“ Mangel bleibt bestehen – gerade dort, wo die Versorgung dringend gebraucht wird.

Regionale Ungleichverteilung: Stadt profitiert, Land verliert

In Städten wie München, Berlin oder Hamburg ist die Arztdichte hoch – doch selbst dort steigen Wartezeiten, da die Nachfrage mit der demografischen Alterung steigt. In ländlichen Regionen wie der Uckermark, im Sauerland oder Teilen Sachsens hingegen fehlen Augenärzte schlichtweg. Durch die restriktive Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen dürfen sich in offiziell „überversorgten“ Gebieten keine neuen Ärzte niederlassen – selbst wenn der Bedarf faktisch hoch ist.

Demografie als Treiber der Nachfrage

Mit dem demografischen Wandel steigt auch der augenärztliche Versorgungsbedarf: Krankheiten wie Katarakt, Glaukom oder Makuladegeneration nehmen im Alter zu. Laut Barmer Arztreport suchten 2019 fast ein Viertel der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr einen Augenarzt auf – Tendenz steigend. Dazu kommt der Anstieg chronischer Erkrankungen wie Diabetes, die regelmäßige augenärztliche Kontrollen erfordern.

Systemische Begrenzung durch Bedarfsplanung

Die sogenannte Bedarfsplanung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) legt fest, wie viele Fachärzte pro Region tätig sein dürfen. Bei einer „Überversorgung“ – definiert als mehr als 110 % des rechnerischen Solls – kann die Niederlassung von Ärzten beschränkt oder abgelehnt werden. Das Ziel: Gleichverteilung. Die Folge: In attraktiven Regionen entsteht künstliche Knappheit, in anderen bleibt die Unterversorgung bestehen.

Teilzeit, Spezialisierung und MVZs

Viele Augenärzte arbeiten heute in Teilzeit, bevorzugen Angestelltenverhältnisse in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder Kliniken, oder fokussieren sich auf operative Eingriffe. Die klassische Vollzeit-Sprechstunde in der Einzelpraxis verliert an Bedeutung – mit Auswirkungen auf das verfügbare Terminangebot, insbesondere für gesetzlich Versicherte.

Fazit

Die aktuelle Augenarztknappheit ist kein Zufall, sondern Folge mehrerer Entwicklungen: eine alternde Gesellschaft, begrenzende Versorgungsregeln, wirtschaftlich getriebene Praxismodelle und strukturelle Fehlanreize. Zwar steigt die Zahl der Augenärzte statistisch – doch sie steht dem realen Bedarf nicht im Verhältnis. Wer langfristig eine bessere Versorgung erreichen will, muss die Bedarfsplanung reformieren, Niederlassung auf dem Land fördern und wirtschaftliche Anreize wieder stärker mit medizinischer Grundversorgung verknüpfen.

Quellen:

  1. Barmer Arztreport 2022https://www.bifg.de/media/dl/Reporte/Arztreporte/2022/BARMER_Arztreport_2022.pdf

  2. Augeninfo.de / Berufsverband der Augenärzte (BVA)https://www.augeninfo.de/offen/index.php?thema=405

  3. Gemeinsamer Bundesausschuss – Bedarfsplanunghttps://www.g-ba.de/themen/bedarfsplanung/bedarfsplanungsrichtlinie/

  4. Kassenärztliche Bundesvereinigung – Versorgungslagehttps://www.kbv.de/html/bedarfsplanung.php